Vor einiger Zeit bat mich eine befreundete Papierrestauratorin, bei einem kleinen Projekt behilflich zu sein. Ein in Mitleidenschaft gezogenes Familienfoto sollte „repariert“ und dann vervielfältigt werden. Es hatte einige Knicke und Flecken; ein größeres Stück war komplett abgerissen und mit Tesafilm angeklebt worden.

Eine konventionelle Restaurierung kam aus Kostengründen nicht in Frage. Zudem gab es durch den Riss größere Fehlstellen, die sich leichter digital als analog beheben lassen. Weil auch der Wunsch nach Kopien bestand, sollte der alte Fotoabzug digitalisieren werden.

Nun gab es zwei Möglichkeiten: Abfotografieren oder Scannen. Beim Scannen von stark verknickten oder strukturierten Vorlagen können sich die Schäden bzw. Oberflächenstrukturen visuell verstärken, denn das Licht der Scanzeile fällt leicht seitlich ein und erzeugt durch Streiflicht einen Schatten. Beim Fotografieren mit Reprobeleuchtung verschwinden ‚Berge und Täler‘, wenn sie in Richtung des einfallenden Lichtes verlaufen. Ich habe beides ausprobiert und dem Scan den Vorzug gegeben. Die Schäden sahen in beiden Fällen gleichermaßen schlecht aus, und der Scan hat nun einmal die bessere Planlage, höhere Auflösung und ist mit weniger Aufwand umzusetzen als eine fotografische Reproduktion.

Die Retusche von kleineren Bildschäden ist eine Fleißarbeit, aber nicht weiter kompliziert, denn Photoshop hat genügend hilfreiche Werkzeuge. Etwas schwieriger jedoch war die Rekonstruktion im Bereich des Risses. Das Gesicht der Dame rechts außen war unvollständig, ebenso die Stirn und Frisur des Herrn daneben. Die zweite Frau weiter links hatte sehr ähnliche Gesichtszüge. Hier konnte ich Teile des Gesichts nach einer Größenanpassung übertragen. Bei der Herrenfrisur wurde ich in der hinteren Reihe fündig. Die neuen Fragmente mussten übergangslos in die Fehlstellen reinretuschiert werden. Eine allgemeine Vorgehensweise kann ich an dieser Stelle leider gar nicht erläutern, weil es immer vom Einzelfall abhängt, was machbar ist. Es erfordert auf jeden Fall sehr viel Übung, genaues Hinsehen und Geduld.

Mein Ziel war, das alte Familienbild so ansehnlich wie möglich zu machen, ohne es zu verfälschen. Dazu gehört natürlich auch ein geeignetes Material für die spätere Ausgabe. Beim Original handelte es sich um einen warmtonigen, matten Silbergelatineabzug auf Barytpapier. Ein Fotopapier mit der gleichen Anmutung gibt es heute leider nicht mehr. Um zumindest den ursprünglichen Farbeindruck zu bewahren, habe ich mich für einen hochwertigen Inkjet-Druck auf Hahnemühle PhotoRag-Papier entschieden. Ein besonderer Vorteil (neben der sehr guten Haltbarkeit) ist der leicht cremefarbene Grundton des Baumwollpapiers. Es passt sehr gut zu historischen Aufnahmen. Der exakte Abgleich der Tonwerte und Farben erfolgte mithilfe einer kalibrierten Verarbeitungskette und der Wahl eines Fachlabors, das Farbmanagement anwendet.

Herzlichen Dank an Familie Neises, die dieses Foto zur Veröffentlichung freigegeben hat.